Meyerbeers Chorwerke
Eine ganz neue Facette des Opernkomponisten Giacomo Meyerbeer präsentieren Hermann Max und seine Rheinischen Kantorei mit ihrer Ersteinspielung geistlicher Chorwerke. Im Booklet schreibt Max selbst: »Die Protagonisten der Aufklärung prägen früh Meyerbeers sozial vernetztes Umfeld in Briefen und Gesprächen. Logisch, dass religiöse Texte mehr literarisch betrachtet werden denn als ernst genommener Glaubensstoff. Jene Erzählungen der Bibel, die den Naturgesetzen widersprechen, werden eher nonchalant als bitterernst und naiv glaubend hingenommen. Jesus nennt man oft nicht mehr Sohn Gottes, sondern den bedeutendsten der je geborenen Menschen. Die Vernunft hinterfragt als Instanz gegen Vorurteile und Intoleranz alles Religiöse und ist Wegweiser, um die Naturgesetze verstehend zu erkennen. Für Meyerbeer wird der Reiz religiöser Texte darin liegen, sie als historisches und literarisches Gut zu vertonen. Das Schweifen in zeitlich weit zurückliegende Fernen erleben die Romantiker als Ausstieg aus der Wirklichkeit und Eintreten in eine fantasiegezeugte Vorstellungswelt. Giacomo genießt alles das und ist begeistert von dem, was er in Europa als Reisender kennenlernt. Die Laufbahn eines Virtuosen, durch des Knaben große pianistische Begabung naheliegend, ist bald vergessen. Italien fasziniert ihn. Rossini und Salieri besonders. Er weiß nun, es war richtig, den qualvoll trockenen Kompositionsunterricht bei Zelter verlassen zu haben und bei Abbé Vogler in Darmstadt (auch dabei C. M. von Weber) zu studieren. Der Abbé kuriert ihn von Selbstzweifeln und setzt seine Fantasie für ein Meer von kompositorischen Möglichkeiten frei. Das unmittelbare Ergebnis der Darmstädter Jahre sind Die sieben geistlichen Gesänge und das Hallelujah.«
Rezensionen
»Eine wertvolle Bereicherung für die Betrachtung der Musik Meyerbeers. Dabei sind zwei stilistische Richtungen wahrzunehmen: zum einen die Tendenz zu geradezu opernhaft dramatischen Szenen wie ›Cantique‹ für Baßsolo, gemischten Chor und Orgel, zum anderen der Hang zu jenem wunderbar verlkärt-einfachen Chormusikstil a la Mendelssohn und Schumann voller bezaubernder Klangeffekte, die hier nun in einem geistlichen Gewand erscheinen. Diese beiden scheinbar gegensätzlichen Stilrichtungen werden in der Interpretation der Rheinischen Kantorei unter der Leitung von Hermann Max äußerst facettenreich, ja genußvoll ausgestostet.«*
klassik-heute.com 11/2016